Meinung

Alle gegen Gauland: "Maybritt Illner" zum Thema Ukraine

Vier Stühle – eine Meinung. Wieder einmal macht das deutsche Fernsehen aus einem Witz Realität. Bei Maybritt Illner setzte sich Alexander Gauland für eine diplomatische Konfliktlösung und eine an deutschen Interessen orientierte Außenpolitik ein – und sorgte damit für viel Kopfschütteln.
Alle gegen Gauland: "Maybritt Illner" zum Thema Ukraine© Screenshot: zdf.de

Von Richard Mahnke

Das ZDF hat am Donnerstagabend wieder einmal tiefe Einblicke in die Geistes- und Gedankenwelt der bundesrepublikanischen Eliten geliefert. Aus diesem Grund, und nur aus diesem, war die Gesprächsrunde von Maybritt Illner zum Thema "Sicherheit für die Ukraine – NATO stärken, Russland provozieren?" sehenswert.

Es diskutierten neben der Moderatorin der FDP-Politiker und designierte deutsche Botschafter in Moskau Alexander Graf Lambsdorff, der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter, der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland und die Spiegel-Journalistin Melanie Amann. 

Der Verlauf der Sendung war so erwartbar wie aus anderen Formaten bekannt. Ein Titel wie "Vier gegen Willi" wäre treffender gewesen, würde man damit nicht dem die ganze Zeit erstaunlich gelassen bleibenden Gauland zu nahe treten, an dem sich die anderen Gäste und die Moderatorin die längste Zeit der Sendung geschlossen abarbeiteten.

Um das zu erkennen, genügt es, sich die Sendung ohne Ton anzusehen. Sagt einer der vier etwas, blicken die anderen verständnisvoll oder nicken synchron wie ein paar Wackeldackel. Redet Gauland, gehen die Blicke der anderen nach unten, es werden Köpfe geschüttelt, Münder verkniffen, Stirnen in Falten gelegt. Besonders Spiegel-Frau Amann zog dabei ihr Gesicht immer wieder in kaum für möglich gehaltene Längen.

Das Inhaltliche ist schnell erklärt: Gauland gab den Realisten, plädierte für das Verfolgen deutscher Interessen, das Setzen auf eine diplomatische Lösung, die die Interessen aller berücksichtige. Der greise AfD-Mann wollte auch nicht einsehen, warum Deutschland kein Gas aus Russland beziehen sollte.

Die Viererbande dagegen vertrat ganz im Sinne des Zeitgeistes ein simplistisch-idealistisches Weltbild. Russland der böse Aggressor, die Ukraine das Opfer, die NATO ganz unironisch als Hüter des internationalen Rechts. Überhaupt betonten die vier einheitlich die Bedeutung des Völkerrechts. Müßig zu betonen, dass diese Liebe zum Völkerrecht eine sehr selektive ist.

Matte Meinungsverschiedenheiten unter den vier gab es nur in den Fragen, ob die NATO nun Kiew weit genug entgegenkommen sei, ob man Kiew schon genug "helfe" oder es noch ein paar Marschflugkörper mehr sein dürfen, und ob das ganze aus Kiewer und NATO-Sicht denn nun Erfolg haben könne.

So einfach, so erwartbar. Interessant, wenn sich die vier Diskutanten in ihrem missionarischen Eifer vergaloppieren. Etwa, wenn sich das frühere SED-Mitglied Illner mit dem westlichen Militärbündnis identifiziert, indem sie von der NATO als "Wir" spricht – und so immerhin eine Art festen Klassenstandpunkt durchblicken lässt.

Bemerkenswert auch Illners Einordnung der Nord-Stream-Pipelines:

"Bei Nord Stream waren wir nicht ganz allein, aber wir waren am Ende schrecklich allein, und wir haben schrecklich falschgelegen."

Noch viel irrer ist Illners Erwiderung auf Gaulands Argument, dass deutsche Panzer aus historischen Gründen nicht auf Russen schießen sollten. Während sich Kiesewetter mit dem albernen, aber schon bekannten Einwurf begnügt, dass dies ukrainische Panzer seien, versucht die Moderatorin eine historische Argumentation:

"Sie wissen, dass die Ukraine viel mehr unter der deutschen Wehrmacht gelitten haben als das Sowjetvolk."

Natürlich spricht sie niemand auf diesen Unsinn an. Illner versucht dann die Kurve zu bekommen, indem sie Gauland auf den berühmten "Fliegenschiss" anspricht. Der frühere Bundeswehroberst Kiesewetter, der unter den vier NATO-Jüngern als besonders eskalationsfreudig hervorsticht, greift diese Argumentation sogar noch einmal auf, indem er mit den deutschen Verbrechen in der Ukraine und in Weißrussland das westliche Engagement gegen Russland zu legitimieren versucht:

"Es ist unsere Aufgabe, auch als Lehre unserer Geschichte, die wir auf ukrainischem Boden acht Millionen Menschen umgebracht haben, die wir auf weißrussischem Boden, belarussischem Boden, über drei Millionen Menschen umgebracht haben, dass wir mithelfen, dass diese Länder ihre Souveränität behalten."

Russland müsse verlieren lernen, das betonte Kiesewetter mehrfach:

"Russland muss verlieren lernen. Da gibt es keinen Kompromiss, da kann es keinen Kompromiss zur Freiheit der Ukraine geben."

Gaulands Erwiderung:

"Dann kämpfen sie wirklich bis zum letzten Ukrainer und zum vorletzten Russen."

Doch anders als etwa Amann beurteilt Kiesewetter die militärische Lage Kiews optimistisch und hält durch die Lieferung von Marschflugkörpern sogar die Eroberung der Krim für möglich:

"Ich glaube, dass das gelingen wird. … Wenn die russischen Versorgungslinien abgeschnitten werden, und die russischen Truppen aufgeben müssen, ist Putins Schicksal damit besiegelt. Und ich glaube, unsere Zurückhaltung ist deshalb so groß, weil man Angst hat, was kommt nach Putin?"

Kiesewetter vollbrachte auch das Kunststück, den georgischen Überfall auf Südossetien im August 2008 als russische Inszenierung zu bezeichnen und mit dem deutschen Überfall auf Polen 1939 zu vergleichen:

"Wir sind ja schon Lügen gestraft worden, weil man Russland nicht provozieren wollte, dass im Jahr 2008 bei der Eröffnung der Olympischen Spiele, Russland, nach einem fingierten Angriff aus Georgien, ähnlich wie 1939, Sender Gleiwitz, dann einmarschiert ist und eine Dreiteilung von Georgien gemacht hat." 

Alles in allem, nur eine Talkshow mehr. Finanziert natürlich über die Zwangsgebühr, die die deutschen Haushalte zu entrichten haben, nicht von der NATO. Man stellt sich als Zuschauer ständig die Frage, wie mit einem derartig manichäisch wirkenden Denken, wie es in den heutigen "Eliten" offenbar verbreitet ist, jemals wieder eine rationale und an Interessen orientierte Außenpolitik möglich sein soll. Die Antwort muss wohl lauten: Gar nicht.

In gewisser Weise trifft die Kritik der Sendung im Springerblatt Bild den Nagel auf den Kopf. Natürlich nicht inhaltlich, hier steht der Autor des nicht als Meinungsbeitrag gekennzeichneten Artikels auf der Seite der NATO-Jünger, etwa wenn er die Sendung als "Lügendetektor" gegen "AfD-Phrasendrusch" einordnet. Aber er verwendet auch Begriffe wie aus einem Comicheft, die das Geschehen und das Niveau im Studio doch gut beschreiben:

"Uff! Ächz! What? Horrido! Heidewitzka!"

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