Wirtschaft

"Ungeahnte Folgen" – Energiekonzern RWE gegen Stopp russischer Energielieferungen

Der Energiekonzern RWE hat sich vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine gegen einen Stopp russischer Energielieferungen nach Deutschland ausgesprochen. Dies hätte aufgrund der hohen Abhängigkeit massive Konsequenzen, so RWE-Chef Markus Krebber
"Ungeahnte Folgen" – Energiekonzern RWE gegen Stopp russischer EnergielieferungenQuelle: AFP

Laut dem Vorstandsvorsitzenden des Energiekonzerns RWE bliebe ein Stopp russischer Energielieferungen nach Deutschland nicht ohne Konsequenzen. Krebber sagte am Dienstag in Essen:

"Ein sofortiger Stopp hätte ungeahnte Folgen für die Wärmeversorgung der Haushalte."

Eine längere Lieferunterbrechung dürfte zudem die Produktionsanlagen der Industrie und des Mittelstandes nachhaltig schädigen. Daher könne er die Position der Bundesregierung gegen Sanktionen von Energielieferungen sehr gut nachvollziehen. Der Energiemarkt werde sich durch den Krieg fundamental ändern, so Krebber weiter. Er ergänzte:

"Deshalb ist es richtig, so schnell wie möglich in der Energieversorgung unabhängig und nachhaltig zu werden."

Versorgungssicherheit und Klimaschutz seien so eng wie nie zuvor miteinander verbunden. Derweil drohen die wegen des Ukraine-Kriegs stark gestiegenen Energiepreise Unternehmen und Privathaushalte schwer zu belasten. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warnte vor einer Kostenexplosion für Firmen und forderte die Bundesregierung zu kurzfristigen Stabilisierungsmaßnahmen auf. Politiker der Ampel-Koalition stellten zusätzliche Entlastungsmaßnahmen für Wirtschaft und Verbraucher in Aussicht.

"Schnelle und flexible Lösungen"

Eine befristete Senkung der Mehrwertsteuer, die zum Beispiel von der Union gefordert wird, soll es nach Aussage von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) aber nicht geben. Gegenüber dem Tagesspiegel sagt Lindner am Sonntag:

"Wenn die Union eine sogenannte Spritpreisbremse fordert, dann muss sie sagen, was sie im Haushalt kürzen will [...] Oder sie muss bekennen, dass sie dafür neue Schulden aufzunehmen bereit ist."

Die Regierung arbeite jedoch an Maßnahmen, sagte Lindner gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er gehe davon aus, dass "in Kürze" weitere Beschlüsse gefasst werden. Die hohen Preise seien eine Belastung für Menschen und Betriebe, der Staat dürfe die Menschen damit nicht alleine lassen. Lindner weiter:

"Als liberaler Finanzminister habe ich mich schon vor der Krise für strukturelle steuerliche Entlastungen ausgesprochen. Jetzt brauchen wir allerdings schnelle und flexible Lösungen, die wirklich bei den Menschen ankommen."

SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch stellte dazu auch Nachbesserungen beim Entlastungspaket der Ampel in Aussicht. Das Maßnahmenbündel – unter anderem mit einer befristeten Anhebung der Pendlerpauschale und einer vorgezogenen Abschaffung der EEG-Umlage über die Stromrechnung – hatten die Spitzen von SPD, Grünen und FDP Ende Februar beschlossen. Seitdem sind die Energiepreise aber noch weiter gestiegen. Miersch sagte gegenüber der Rheinischen Post am Montag:

"Die einzelnen Maßnahmen werden jetzt zügig umgesetzt und falls nötig sogar noch einmal verschärft."

Besonders der Heizkostenzuschuss für einkommensschwache Haushalte sollte seiner Meinung nach spürbar erhöht werden.

Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz fordert vom Bund wegen steigender Preise für Energie und Lebensmittel mehr finanzielle Hilfe für Ärmere und Familien. "Wir stehen vor schwierigen Zeiten", sagte der Grünen-Politiker der dpa. Aus seiner Sicht wäre ein "sozial gestaffeltes Energiegeld" die richtige Maßnahme. "Das wäre eine Direktzahlung an Bürgerinnen und Bürger."

"Kostenexplosion, die kaum aufzufangen ist"

Auch der Industrie gehen die beschlossenen Entlastungen nicht weit genug. Die vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage über die Stromrechnung sei ein wichtiges Signal, sagte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. Und weiter:

"Sie kann aber nur einen Bruchteil der höheren Beschaffungskosten ausgleichen. Nötig sind jetzt kurzfristige Stabilisierungsmaßnahmen, etwa eine Absenkung der staatlichen Umlagen und der Stromsteuer zusammen mit zinsgünstigen KfW-Krediten oder sogar direkten Notfallzahlungen."

Die Bundesregierung arbeitet für Unternehmen aktuell an einem Kredit-Hilfsprogramm. Das soll diejenigen Unternehmen unterstützen, die von den EU-Sanktionen gegen Russland hart getroffen sind. Wie die Bild am Samstag meldete, sind auch Überbrückungshilfen für Unternehmen im Gespräch, die stark gestiegene Rohstoffpreise nicht mehr tragen können. Außerdem werde eine Verlängerung der Kurzarbeiter-Regelung über den 30. Juni hinaus geprüft sowie eine nochmalige Anhebung der Pendlerpauschale.

Grund für die Notlage der Industrie ist, dass aktuell jede zweite Firma ihre Strom- und Gasversorgung für das laufende Jahr noch vertraglich absichern muss, wie der DIHK unter Verweis auf eine aktuelle Firmenbefragung erklärte. "Damit steht jedes zweite Unternehmen vor einer Kostenexplosion, die kaum aufzufangen ist", so Dercks. Bei Ausbruch des Krieges habe die Hälfte der Unternehmen ihre Strom- und Gasbeschaffung für das laufende Jahr noch nicht abgeschlossen gehabt, hieß es unter Verweis auf 2.000 Rückmeldungen von Unternehmen aus allen Branchen.

Die hohe Zahl erkläre sich daraus, dass viele Unternehmen aufgrund der bereits extrem hohen Preise der vergangenen Monate abgewartet oder nur für kurze Zeiträume Lieferverträge abgeschlossen haben. In der Vergangenheit hätten viele Betriebe einmal im Jahr für die kommenden zwölf Monate beschafft. "Das hat sich durch die aktuelle Preisspirale deutlich verändert", so Dercks weiter. Ein mittleres Unternehmen aus der Glasindustrie habe 2015 im Schnitt noch 100.000 Euro pro Monat für seine Energieversorgung bezahlt. Aktuell sei dafür der fünf- bis sechsfache Betrag fällig, manchmal sogar noch mehr.

Habeck will weg von russischen Importen

Noch deutlich schwerere Folgen drohen für die Wirtschaft im Fall eines generellen EU-Embargos russischer Energielieferungen. Mehrere Wirtschaftsverbände hatten zuletzt davor gewarnt, ebenso wie Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne). Dieser sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung:

"Wir reden bei einem sofortigen Importstopp über Versorgungsengpässe im nächsten Winter, über Wirtschaftseinbrüche und hohe Inflation, über Hunderttausende Menschen, die ihre Arbeit verlieren, und über Menschen, für die der Weg zur Arbeit kaum bezahlbar wird, Heizen und Strom ebenso."

Der Minister sieht aber Fortschritte in den Bemühungen, die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Öl, Kohle und Gas zu verringern. "Jeden Tag, ja faktisch jede Stunde verabschieden wir uns ein Stück weit von russischen Importen", sagte der Grünen-Politiker der Zeitung. Und er ergänzte:

"Wenn es gelingt, sind wir im Herbst unabhängig von russischer Kohle und Ende des Jahres nahezu unabhängig von Öl aus Russland. Bei Gas ist es komplizierter, weil wir keine eigenen LNG-Importkapazitäten haben. Die schaffen wir jetzt unter Hochdruck."

Deutschland ist bisher abhängig von Energieimporten aus Russland. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums liegt der Anteil russischer Importe an den fossilen Gasimporten nach Deutschland bei rund 55 Prozent, bei Kohle bei rund 50 Prozent und bei Rohöleinfuhren bei rund 35 Prozent.

Mehr zum ThemaSpeiseöl und Weizenmehl: Leere Regale in deutschen Supermärkten

(rt de/dpa)

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.