Meinung

Scholz im CNN-Interview: Was mag Biden dem Kanzler diktiert haben?

Ein Interview auf CNN lässt vermuten, was auf Deutschland und die Ukraine zukommt. Beide werden den hegemonialen Interessen der USA geopfert. Deutschland kann dem nichts entgegensetzen. Aufgrund seiner Abhängigkeit von den USA muss es der Zerstörung seiner Wirtschaft tatenlos zusehen.
Scholz im CNN-Interview: Was mag Biden dem Kanzler diktiert haben?Quelle: www.globallookpress.com © White House

Von Gert Ewen Ungar

Der Besuch des Bundeskanzlers Olaf Scholz in den USA war in hohem Maß undurchsichtig, nämlich eine seltsame Nacht- und Nebel-Aktion, wie sie bei Staatsbesuchen dieses Ranges höchst unüblich ist. Deutsche Medien beschwichtigten gehorsam. Es handelte sich ja lediglich um einen "Arbeitsbesuch", sagen sie – als sei es völlig selbstverständlich, dass der deutsche Bundeskanzler mal eben ohne jede Begleitung, ohne Delegation, ohne Journalisten und ohne Protokoll in die USA reist und dort auch noch ohne Dolmetscher auf Englisch verhandelt. 

Scholz war so kurzfristig in die USA geflogen, dass der Verdacht nahe liegt, er sei zum Rapport beordert worden. In den USA traf er mit dem US-Präsidenten Joseph Biden zusammen: es gab eine mehrstündige Unterredung, ein kurzes Pressestatement und das war's. Selbst auf der Webseite des Bundeskanzleramtes findet sich keine Pressemeldung, kein weiterer Hinweis zu diesem ungewöhnlichen Besuch. Und was dort eigentlich verabredet wurde, verschweigt der Kanzler der deutschen Öffentlichkeit und die deutschen Medien vollends. Die tun dann so, als interessiere das auch niemanden weiter. Das transatlantische Bündnis sei schließlich intakt, behaupten sie. Scholz war "zu Besuch bei Freunden", versichert die Tagesschau den Deutschen – und liegt damit bekanntermaßen ziemlich daneben. 

Der "Elefant im Raum", dort im Weißen Haus, bei diesem Besuch bleibt natürlich ungenannt. Wer ist für den Anschlag auf Nord Stream verantwortlich? Das wäre einer der entscheidenden Fragen, die sich aber nicht nur die großen deutschen Medien weigern zu stellen. Vor dem Hintergrund der Anschuldigungen, die der renommierte Journalist Seymour Hersh direkt gegen Joe Biden erhebt, wirkt (nach getaner Arbeit) Bidens Dank an Olaf Scholz für die Abkehr Deutschlands von russischen Energieträgern geradezu zynisch.

Hersh behauptet sogar, Biden persönlich sei für den Anschlag verantwortlich, Denn Biden persönlich habe ihn in Auftrag gegeben. Ganz unabhängig von der Frage der direkten Verantwortung hat sich nicht Deutschland vom russischen Gas gelöst, wie Biden es formuliert, sondern ist mit einem Terroranschlag auf seine Versorgungsstruktur davon "erlöst" worden, um es mal im grammatischen Passiv zu formulieren , der den Geschehnissen wesentlich angemessener ist.

In einem Interview mit dem CNN wiederholt sich die Peinlichkeit – kein Wort zu Nord Stream kommt dem auf das Grundgesetz vereidigten deutschen Bundeskanzler über die Lippen. Auch die großen Medien der USA bedecken das Thema mit einem Mantel des Schweigens. Allerdings lassen sich aus den Antworten von Scholz Rückschlüsse ziehen, wozu er von Biden soeben verpflichtet wurde und sich offenbar auch hat verpflichten lassen. 

Der US-amerikanische Journalist Fareed Zakaria räumt dem deutschen Bundeskanzler im CNN-Interview zunächst breiten Raum ein, wieder Desinformationen im Hinblick auf Russlands Ziele in der Ukraine zu verbreiten. Scholz darf behaupten, Russlands Absicht sei ursprünglich die Einnahme der gesamten Ukraine gewesen, da Russland imperialistische Ziele verfolge. Diese völlig unsinnigen und nicht belegbaren Anschuldigungen, die lediglich das aktuelle Narrativ des kollektiven Westens wiedergeben, werden – fast schon selbstverständlich – nicht hinterfragt.

Dabei spricht aus der Geschichtsschreibung der Eskalation eine ganz andere Sprache. Der Konflikt eskalierte aufgrund der Nichteinhaltung des Minsker Abkommens durch die Ukraine, flankiert durch die Weigerung von dessen Garantiemächten Deutschland und Frankreich, die Ukraine zur Umsetzung dieses Abkommens zu drängen sowie der Weigerung der NATO und der USA, sich zu wiederholt geforderten und erläuterten Sicherheitsgarantien gegenüber Russland zu verpflichten. Alles andere ist Propaganda – auch die Mär vom imperialistischen Russland, die Scholz im US-amerikanischen Fernsehen erzählt, zählt dazu. 

Die wackeren und mutigen Ukrainer, so fährt Scholz fort, hätten diesen Angriff auf ihr souveränes Land zurückgeschlagen. Scholz bewundert den Mut dieser Menschen. Nun gut – es scheint heute zum Ritual zu gehören, dass westliche Politiker derartigen Polit-Kitsch in die bereitgestellten Mikrofone und Kameras westlicher Medien sprechen, die diesen Unsinn dann auch ohne nachzufragen an ihre Zuschauer weitergeben. So auch in diesem Fall. Natürlich weiß Scholz, dass es in der Ukraine um geopolitische Interessen der USA und nicht um Demokratie und schon gar nicht um die Menschen in der Ukraine geht. Er wird es dann auch gleich eingestehen, wenn auch nur indirekt. 

Anzumerken ist allerdings, dass Scholz es schon begrifflich nicht schafft, einen eigenen Akzent zu setzen. Weder bei seinem Statement im Weißen Haus noch hier im Interview lässt sich aus seinen Äußerungen schließen, dass er irgendeinen eigenen Akzent setzen konnte oder wollte, einen eigenen Blick auf den Konflikt hat, sich in irgendeiner Art absetzen will von den Interessen der USA. Scholz wiederholt devot das westliche Narrativ, die westliche, weitgehend frei erfundene Geschichte zur Entstehung des Ukraine-Konflikts, obwohl er weiß, dass sie falsch ist. Das ist nicht nur peinlich, sondern angesichts der Tatsache, dass nicht Russland, sondern die USA im Verdacht stehen, Deutschland im völkerrechtlichen Sinne militärisch angegriffen zu haben, geradezu schändlich. Scholz erniedrigt nicht nur sich persönlich, sondern als amtierender Bundeskanzler Deutschland, das er souverän zu vertreten hätte.

Auch im CNN-Interview kommt also Nord Stream nicht zur Sprache. Dafür darf Scholz sich wieder einmal zur Unterstützung der Ukraine bekennen, darf der Ukraine bescheinigen, dass sie auf einem "guten Weg" sei und der Aufnahme dieses Landes in die EU immer weniger im Wege stehe. Das ist angesichts der innenpolitischen Entwicklung in der Ukraine, der umfassenden Zensur, des Verbots jeglicher Opposition, der Gleichschaltung von Medien, der Staatsverschuldung in Verbindung mit dem wirtschaftlichen Niedergang und der verbreiteten Korruption eine ganz erstaunliche Aussage. Der Moderator nimmt es unwidersprochen hin. 

Auch dessen Sorge gilt natürlich der Ukraine und dem vom Westen eingeschlagenen Kriegskurs. Die Unterstützung der Ukraine durch Waffenlieferungen, so merkt er an, führe zur Zerstörung der Ukraine und fragt, wie weit diese militärische Unterstützungen in sinnvoller Weise gehen solle. Darauf antwortet Scholz ausweichend. Wichtig sei ihm, dass Putin mit seiner "imperialistischen Aggression" keinen Erfolg haben könne. Und damit hat er zwar ausweichend auf die Frage reagiert, aber das Kriegsziel des Westens ziemlich konkret formuliert. Es geht gar nicht um die Ukraine, sondern um Russland. "Putin muss seine Truppen komplett zurückziehen", wiederholt Scholz die schon oft formulierte Forderung, die deutlich macht, dass der Westen an einer für alle Seiten tragfähigen friedlichen Lösung und einer Beilegung des Konflikts kein Interesse hat. Das bedeutet ganz konkret, um Russland größtmöglichen Schaden zuzufügen, ist Scholz Willens, letztlich auch die Ukraine gänzlich zu opfern. 

Indem er ausdrückt, welche Lehre Putin aus der Ukraine-Krise nach westlicher Auffassung zu ziehen habe, deutet er an, wozu Biden im Vier-Augen-Gespräch Scholz verpflichtet haben mag: Die Ukraine wird geopfert. Um Russland zu schaden, wird die vollständige Zerstörung der Ukraine, werden Zehntausende von getöteten ukrainischen Soldaten billigend in Kauf genommen. Das ist der Preis, den der Westen für die Verlängerung seiner hegemonialen Vormachtstellung (für die Dauer einer historischen Millisekunde?) zu zahlen bereit ist. Deutschland wird sich militärisch weiter gegenüber Russland exponieren, denn die USA selbst werden sich künftig stärker um die Eindämmung Chinas kümmern wollen. Auch das lässt sich aus dem Gesagten erschließen.

Auch in diesem Gespräch wird also der Angriff auf die gesamte deutsche Infrastruktur ausgeklammert, und das nicht ohne Grund. Deutschland wurde kurzerhand völlig in die Abhängigkeit von teuren LN-Gaslieferungen aus den USA genötigt, wird dabei gleichzeitig als wirtschaftlicher Konkurrent in diversen Branchen ausgeschaltet, dafür aber noch tiefer in die militärische Allianz gezwungen. Deutschlands wirtschaftliche Souveränität wurde "ganz nebenbei" im Ukraine-Konflikt geopfert. Die Produktions-Stilllegungen bei Unternehmen wie BASF und die Verlegung von hochtechnologischen Produktionsstätten deutscher Hersteller in die USA sollten alle Alarmglocken bei verantwortungsvollen Politikern und kompetenten Medienvertretern schrillen lassen. Anlässlich all der Sorge vor einer Abhängigkeit von China und von Russland bleibt es dort aber angesichts einer wesentlich stärkeren und zudem bewusst und ungestraft immer weiter verstärkten Abhängigkeit Deutschlands von den USA erstaunlich still. 

Der Besuch von Scholz hat deutlich gemacht, Deutschland ist nun vollständiger denn je ein Vasall der USA, dem der Hegemon nicht mehr zugesteht, irgendwelche eigenen Interessen zu verfolgen. Ebenso wie die Ukraine sitzt auch Deutschland in der Abhängigkeitsfalle und ist vollständig erpressbar. Die USA sind darüber hinaus nicht nur bereit, die Ukraine für ihre geopolitischen Ziele zu opfern, sondern auch Deutschland. Der Wille, Deutschlands Wirtschaft nachhaltig zu schädigen, ist ebenso deutlich erkennbar, wie anhand des Panzer-Debakels deutlich wurde, dass die USA ganz hinterhältig bereit sind, Deutschland in die direkte militärische Konfrontation mit Russland zu treiben. 

Von seinem Besuch bei Biden bringt Scholz nichts Gutes mit zurück – weder für die Ukraine noch für Deutschland, dessen Gesamtinteressen er als zweithöchster Repräsentant zu vertreten hätte. Scholz hat im Interview implizit deutlich gemacht, dass er sich künftig weder für die vitalen Interessen der Ukraine noch für die Deutschlands einsetzen wird, sondern für die geopolitischen Interessen der USA – auch gegen den Widerstand großer Teile der deutschen Bevölkerung.

Das sogenannte transatlantische Bündnis ist tot. Es hat sich von einem angeblichen Bündnis vollständig in ein Abhängigkeitsverhältnis gewandelt. Die USA werden auch Deutschland ihrem geopolitischen Machtstreben opfern. Die devote Haltung des derzeitigen deutschen Bundeskanzlers bezeugt, wie wenig Deutschland auf diesen Schritt der USA vorbereitet war. Es gibt keinen Plan B, keine Alternative zur vollständigen Unterwerfung deutscher Interessen und die der USA.

Scholz hat sich bei seinem Besuch zum Statthalter der US-Interessen machen lassen, der weiter wissentlich das falsche Narrativ vom freien Westen, vom Kampf der Demokratien gegen die Autokratien in seinen Reden und Auftritten bedienen wird, während er in Wahrheit die Vorgaben der politischen Ziele der USA befolgt und sie gegen die Interessen Deutschlands durchsetzt.

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