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Außenpolitisch gescheitert: USA arbeiten an einem Kapitulationsplan

Washingtons bevorstehende geopolitische Niederlage und der Verlust seiner Hegemonialstellung werden auch in den USA selbst zunehmend akzeptiert. Ein Artikel in der einflussreichen Politikzeitschrift "Foreign Affairs" schlägt eine Verringerung der weltweiten US-Militärpräsenz vor.
Außenpolitisch gescheitert: USA arbeiten an einem KapitulationsplanQuelle: Gettyimages.ru © Gary Hershorn

Von Wiktorija Nikiforowa

Die Erfolge der russischen Streitkräfte sind jenseits des Atlantiks nicht unbemerkt geblieben. Die Kämpfe um Awdejewka dauerten noch an, als in der wichtigsten Politikzeitschrift der USA, Foreign Affairs, ein Artikel unter dem Titel "Warum Amerika nicht alles haben kann" erschien. Dieser Artikel schlägt den Plan eines vorsichtigen Rückzugs des Hegemons aus den Brennpunkten vor.

Der US-Politologe Stephen Wertheim stellt fest, dass die USA an allen außenpolitischen Aufgaben, die sie sich im Jahr 2021 gestellt hatten, gescheitert seien. Sie blieben in der Ukraine stecken, konnten nicht ihre Militärs im Nahen Osten beschützen und brachten die Beziehungen zu Russland und China an einen Punkt, an dem ein dritter Weltkrieg überaus real ist.

Wer ist schuld und was ist zu tun? Schuld ist selbstverständlich Putin – schließlich hat er die militärische Sonderoperation begonnen. Die Hamas ist ebenfalls schuld, weil sie den Angriff am 7. Oktober 2023 organisierte. Freilich trage auch Bidens Administration einen Teil der Schuld. Sie erwies sich als zu naiv und glaubte, dass während sie in einer Region einen Krieg entfachen, alle anderen Regionen ruhig bleiben und nicht stören werden.

"Das ist ebenso naiv, wie andere Länder zu überfallen, um sie zu befreien", stichelt der Autor vorsichtig gegen das Regime.

Als Lösungsansatz wird eine durchaus pragmatische Variante vorgeschlagen: ein Rückzug. Wertheim schlägt Washington vor, aufzuhören, sich an Träume von einer Hegemonie zu klammern und seine weltweite Militärpräsenz zu reduzieren.

Betrachten wir den Gedanken des Autors am Beispiel des Nahen Ostens näher. Offensichtlich erwiesen sich die US-Soldaten an Stützpunkten in Irak und Jordanien gegen Angriffe iranischer Proxys als völlig schutzlos. Seit Oktober wurden dutzende Personen verwundet, einige Militärangehörige sind vor kurzem gestorben. Trotz lautstarker Ankündigungen ist Washington nicht in der Lage, seine Leute zu schützen.

Das Rote Meer bleibt unter der Kontrolle der Huthi aus dem Jemen. Washington ist es ebenso wenig gelungen, die Schiffe seiner Verbündeten zu schützen, wie den Angriff auf Israel am 7. Oktober zu verhindern. Eigentlich ist das eine völlige Impotenz. Die Militärpräsenz der USA hat aufgehört, ein Faktor der Geopolitik zu sein und ist darauf reduziert worden, dass Soldaten in ihren Kasernen eingesperrt bleiben und warten, wann ein weiteres explosives "Geschenk" zu ihnen hineinfliegt. Vielleicht sollte Washington also aufhören vorzugeben stark zu sein?

Wertheim hält den Rückzug der US-Truppen aus Afghanistan für richtig und schlägt vor, sie aus dem ganzen Nahen Osten zurückzuziehen und möglicherweise nur noch jeweils einen Stützpunkt in Bahrain und Katar zu lassen.

Hinzu kommt, dass vor dem Hintergrund der Festigung von Russlands Bündnissen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien und der gleichzeitigen Abkühlung ihrer Beziehungen zu den USA auf einen Nullpunkt die US-Stützpunkte in diesen Ländern als ein überflüssiger Atavismus erscheinen und die lokale Bevölkerung mit ihren antiamerikanischen und antiisraelischen Stimmungen nur noch reizen.

Die nächste Etappe des großen Weges ist ein Rückzug des US-Militärs aus Europa. Wertheim ist der Ansicht, dass der Ukraine-Konflikt die Europäer dazu angeregt habe, ihre Rüstungsindustrie neu anzukurbeln. Nun seien sie in der Lage, alle Bedürfnisse der NATO zu erfüllen. An Washington ergeht daher der Vorschlag, in den nächsten zehn Jahren die ganze Wirtschaft der Allianz den europäischen Mitgliedern aufzubürden und die Truppen von den US-Stützpunkten zurückzuziehen.

Parallel dazu solle das Weiße Haus zu einer adäquateren Außenpolitik übergehen – die Sorgen solcher Staaten wie Russland und Iran diplomatisch lösen, der Ukraine eine NATO-Mitgliedschaft verweigern und eine "konkurrierende Koexistenz" mit China aufbauen, was Wirtschaft und Politik der beiden Staaten stabilisieren würde.

Insgesamt ist das, wie wir sehen, ein überaus adäquater Rückzugsplan, der tatsächlich allen, darunter auch den USA, zugute kommen würde. Washingtons militärische Niederlagen beweisen, dass der Ex-Hegemon auf dem Schlachtfeld zu schwach ist. Es ist Zeit, nach Hause zurückzugehen, die Wunden zu lecken und zum Isolationismus zurückzukehren. Nur das kann das Land vor einem Zusammenbruch und Niedergang bewahren.

Zweifellos geistern solche Gedanken auch durch die Köpfe der Präsidentschaftskandidaten – zumindest derjenigen, die noch Gedanken haben können. Rechtzeitig aufzugeben bedeutet, fast zu siegen. Das Problem besteht nur darin, diese Kapitulation den eigenen Wählern schmackhaft zu machen.

Im 20. Jahrhundert hatten die USA mehrere bittere und demütigende Niederlagen erlitten. Sie verloren schmachvoll den Vietnamkrieg. Sie erlaubten Chruschtschow, sich während der Kubakrise auszutoben. Sie erhielten mehrfach eine Abfuhr auf Kuba.

Doch jedes Mal überzeugte die dortige Propagandamaschine die US-Amerikaner, dass sie "eigentlich" gesiegt hätten. Das ist wie mit dem Basketball-Finale der Olympischen Sommerspiele in München 1972. Die ganze Welt weiß, dass damals sowjetische Basketballer gesiegt hatten. Doch die US-Amerikaner sind immer noch der festen Überzeugung, dass sie das Spiel gewonnen haben.

Heute sehen wir, wie US-Spezialisten sich jetzt schon darin üben, Washingtons Niederlage eine möglichst schöne Verpackung zu verpassen. Wertheims Artikel strotzt vor passenden rhetorischen Formulierungen. So schlägt er statt eines Rückzugs eine "Kürzung" (retrenchment) vor und überredet die Führung, dass "globale militärische Dominanz für Prosperität nicht notwendig" sei.

Zwar gibt es wenig Hoffnung, dass die Biden-Administration Wertheims Ratschläge befolgt. Aber seiner Ansicht nach könnte Donald Trump zu einem Präsidenten der "Kürzung" der US-Militärpräsenz werden.

Uns geht es indessen nichts an, wie die Niederlage der USA verpackt werden wird. Früher oder später ist sie unvermeidlich. Im Nebel der Zukunft sind die Umrisse einer neuen Welt bereits abzusehen, und zwar genau in der Form, wie sie Russland Ende 2021 zeichnete – mit einer NATO in den Grenzen von 1991.

Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei RIA Nowosti.

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