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Griechenland: Konservativer Wahlsieg unter Mitsotakis – linkes Lager ohne Konzept und zersplittert

Aus der ersten Runde der Parlamentswahlen in Griechenland am 21. Mai ist die konservative Nea Dimokratia als stärkste Partei hervorgegangen. Zwar konnte sie ihr Ergebnis im Vergleich zu den vorigen Wahlen leicht verbessern, profitierte aber hauptsächlich von den Fehlern und Schwächen ihrer Gegner.
Griechenland: Konservativer Wahlsieg unter Mitsotakis – linkes Lager ohne Konzept und zersplittertQuelle: www.globallookpress.com © Socrates Baltagiannis/dpa

Eine Analyse von Pierre Lévy

Bei den Wahlen in Griechenland am 21. Mai ging die Partei des bisherigen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis, die Nea Dimokratia (ND), als klare Siegerin hervor, ohne jedoch über eine absolute Mehrheit im neuen Parlament zu verfügen. Das war das von vielen politischen Analysten vorhergesagte Szenario.

Da Mitsotakis eine Koalitionsregierung ausgeschlossen hat, werden die neun Millionen griechischen Wähler höchstwahrscheinlich am 25. Juni erneut an die Urnen gehen. Nach dem Wahlgesetz des Landes erhält die stärkste Partei bei dieser zweiten Wahl einen Sitzbonus, der es dem Regierungschef ermöglichen würde, sich selbst abzulösen und vielleicht sogar eine qualifizierte Mehrheit (180 von 300 Sitzen) zu erreichen, die Verfassungsänderungen einleiten könnte.

Mitsotakis triumphierte am Wahlabend demonstrativ und sprach sogar von einem "politischen Erdbeben" zu seinen Gunsten. Eine übertriebene Behauptung: Mit 40,8 Prozent der Stimmen konnte die ND im Vergleich zur Wahl 2019 nur 0,9 Prozentpunkte zulegen. Aber es stimmt, dass die letzten Umfragen ihr nur weniger als 35 Prozent der Wahlabsichten zugestanden hatten.

Das eigentliche Ereignis der Wahlen war hingegen die Niederlage der Partei Syriza, die von einigen weiterhin als "radikale Linke" etikettiert wird. Mit 20,1 Prozent fiel die von Alexis Tsipras geführte Bewegung um 11,5 Prozentpunkte im Vergleich zu 2019, als sie nach vier Jahren an der Spitze der Regierung geschlagen worden war.

Viele Tsipras-Wähler hatten ihm damals nicht verziehen, dass er sich im Januar und September 2015 mit dem Versprechen eines Bruchs mit dem Sparkurs hatte wählen lassen und diesen schließlich unter dem Druck der Europäischen Union und des IWF umgesetzt hatte. Offensichtlich hat Tsipras ihr Vertrauen nicht zurückgewonnen. Syriza hat keine ernsthafte Selbstkritik an dem geübt, was immer noch als Verrat empfunden wird.

Und offensichtlich hat die von dieser Partei eingeleitete Annäherung an die europäische Sozialdemokratie nicht geholfen. Tsipras wurde kürzlich vom deutschen Bundeskanzler, dem Sozialdemokraten Olaf Scholz, empfangen, was viele Wähler vielleicht an die Rolle Berlins bei der Unterwerfung Griechenlands unter die europäischen "Memoranden" erinnert hat.

Syriza sah einen Teil ihrer Wähler zu den traditionellen linken Parteien zurückkehren. Die offizielle sozialdemokratische Partei PASOK, die in den 2010er-Jahren fast verschwunden war, erlebte ein Comeback und erreichte 11,5 Prozent, was einem Zuwachs von 3,4 Prozentpunkten entspricht. Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE), deren Untergang immer wieder prognostiziert wird, sicherte sich den vierten Platz und gewann mit 7,2 Prozent 1,9 Prozentpunkte hinzu. Die KKE wird von ihren Gegnern als "stalinistisch" eingestuft und setzt sich – als Einzige in der griechischen politischen Landschaft – weiterhin für den Austritt aus der EU ein.

Die Partei des ehemaligen Finanzministers von Tsipras, Yanis Varoufakis, fällt unter die Dreiprozenthürde und wird daher keine Abgeordneten mehr stellen. Varoufakis, der die Regierung im Juli 2015 verlassen hatte, als diese den europäischen Anweisungen vollständig nachgegeben hatte, befürwortete einen doppelten Währungsumlauf (Euro plus Wiedereinführung der nationalen Währung), jedoch ohne Bruch mit Brüssel. Diese Positionierung hat die Wähler nicht überzeugt.

Die nationalistische Rechte Elliniki Lyski (EL) ist mit 4,4 Prozent die fünfte und letzte Partei, die im Parlament vertreten ist. Unter den Dutzenden von Gruppierungen, die sich um einen Sitz erfolglos beworben hatten, erhielten die Grünen 0,6 Prozent der Stimmen.

Während sich einige von Syriza enttäuschte Mitglieder der PASOK und der KKE anschlossen, blieb der größte Teil dieser Wählerschaft der Wahl fern. Die Wahlbeteiligung stieg zwar um 3,1 Prozentpunkte, blieb aber niedrig: Nur 60,9 Prozent der Bürger gingen zur Wahl, obwohl es theoretisch eine Wahlpflicht gibt. Wut, Groll und ein Gefühl der Ohnmacht erklären zum Teil dieses Desinteresse. Dies gilt insbesondere für die Jugend. Da das Wahlalter auf 17 Jahre herabgesetzt wurde, standen 430.000 neue Wähler auf den Wählerlisten.

Tsipras hoffte, dass diese Altersgruppe das Pendel zu seinen Gunsten ausschlagen lassen würde. So versuchte er, auf der Welle der Emotionen zu schwimmen, die das Zugunglück vom 1. März ausgelöst hatte: Der Zusammenstoß zweier Züge auf der meistbefahrenen Bahnstrecke des Landes – vor allem bei Jugendlichen – hatte 57 Menschenleben und zahlreiche Verletzte gefordert. Die Frage der immer knapper werdenden Mittel für den öffentlichen Dienst, der immer mehr vernachlässigt wird, hatte am 16. März sogar einen Generalstreik ausgelöst. Doch Syriza war letztlich nicht in der Lage, aus dieser Wut Kapital zu schlagen.

Die Partei hat auch ihren Gegner im Skandal um die abgehörten Telefongespräche, die der Regierungschef höchstwahrscheinlich in Auftrag gegeben hatte, immer wieder unter Beschuss genommen. Mitsotakis' Kabinettschef (und Neffe) war abgesetzt worden, als sich herausgestellt hatte, dass dieser in die Überwachung mehrerer Politiker, darunter des PASOK-Chefs und sogar einiger Minister der Regierung, verwickelt war. Tsipras hoffte, von der Aufdeckung dieser Praktiken profitieren zu können, und prangerte allgemein ein "korruptes Regime" an.

Diese Angriffe wurden von einigen Beobachtern, vor allem aus dem linken Lager, als "populistisch" eingestuft. Im Gegensatz dazu wiesen diese darauf hin, dass Tsipras nicht ausreichend auf die Hauptsorgen von Millionen von Wählern einging: die wirtschaftliche und soziale Lage.

Dies gilt umso mehr, als Mitsotakis seine "wirtschaftlichen Erfolge" lobte, insbesondere das Wachstum, das über fünf Prozent lag (was in Wirklichkeit darauf zurückzuführen ist, dass Griechenland von einem sehr niedrigen Niveau aus startete). Der Ministerpräsident betonte auch die "Stabilität", die er als Einziger zu garantieren sich rühmte, sowie die Steuersenkungen und die angezogenen Investitionen.

Bei der Beschäftigung und den Löhnen konnte er jedoch kaum überzeugen. Auch wenn die Arbeitslosigkeit im März offiziell auf fast elf Prozent gesunken ist, betrifft sie die gesamte Gesellschaft, insbesondere die Jugend: Fast ein Viertel der unter 25-Jährigen ist ohne Arbeit.

Was die Kaufkraft betrifft, so haben die drastischen Sparmaßnahmen, die nie rückgängig gemacht wurden, weiterhin besonders Auswirkungen auf die Ärmsten. Im Jahr 2010 waren die Einkommen um 30 Prozent gesunken, und das ist nur ein Durchschnittswert. Der Mindestlohn liegt bei 780 Euro, und die Inflation lag 2022 bei zehn Prozent, auch wenn sie sich in den letzten Monaten verlangsamt hat. Die Ungleichheit nimmt weiter zu, und die Zahl der älteren Menschen, die obdachlos sind, steigt.

Unter den öffentlichen Diensten war der Verfall des Gesundheitssystems, der sich weiter fortsetzt, ebenfalls eine Hauptsorge der Wähler. In den Augen der Bürger hatte Syriza jedoch offensichtlich nicht die Legitimität, sich zu dessen Verteidiger zu erklären.

Im Gegensatz dazu wurden mehrere Themen im Wahlkampf kaum angesprochen, angefangen bei der Verantwortung Brüssels für die anhaltende "griechische Tragödie". Und das aus gutem Grund: Weder Syriza noch PASOK und sicher nicht die Nea Dimokratia denken daran, die Europäische Union zu verlassen.

Ein weiteres Thema, das kaum diskutiert wurde, auch nicht in der Fernsehdebatte zwischen den verschiedenen Parteien, war der Krieg in der Ukraine, die Hilfe für Kiew und die Kosten, die ein Land zu tragen hat, das bereits zu den NATO-Staaten mit den höchsten Militärausgaben gehört.

Mitsotakis – der einen Teil seines Studiums an der Harvard-Universität in den USA absolviert hatte – erwähnte den Konflikt nur, um dem russischen Präsidenten die Schuld an den derzeitigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Landes zu geben.

Wie dem auch sei, es scheint unwahrscheinlich, dass diese nun nachlassen werden. Besonders, wenn sich der Mai-Sieg des bisherigen Regierungschefs in einigen Wochen in einen blauen Flutwellensturm verwandelt.

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