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Die Nachrichtenagentur AP und die Quelle im Geheimdienst

Dass die US-Nachrichtenagentur AP letzte Woche fälschlicherweise den Einschlag einer russischen statt einer ukrainischen Rakete meldete, hat sie zu Reaktionen gezwungen, um ihren Ruf zu wahren. Der entlassene Mitarbeiter ist allerdings nur ein Bauernopfer.

Eine Analyse von Dagmar Henn

Vergangene Woche gab es von gleich zwei Seiten die Behauptung, es sei eine russische Rakete in Polen eingeschlagen. Die eine war der polnische Sender ZET, der sich auf polnische Sicherheitskräfte berief; die andere die US-amerikanische Nachrichtenagentur Associated Press (AP), die eine Geheimdienst-Quelle anführte.

Zwar war relativ schnell klar, dass es sich mitnichten um eine russische, sondern um eine ukrainische Rakete handelte; aber die Meldung hatte sofort eine Debatte um Artikel 5 des NATO-Statuts ausgelöst, die erst dann langsam verstummte, als auch aus dem Weißen Haus bestätigt wurde, dass es eine ukrainische Rakete war.

Am Montag dieser Woche entließ AP den Mitarbeiter, der die Meldung verfasst hatte, die die Welt an den Rand des dritten Weltkriegs brachte. Er habe die interne Regel gebrochen, dass es für anonyme Aussagen aus Geheimdiensten eine zweite Quelle braucht, lautete die Begründung. Inzwischen ist allerdings die interne Kommunikation bei AP öffentlich geworden, die belegt, dass der entlassene Mitarbeiter noch die geringste Verantwortung trägt.

James LaPorta (13:32): Von einem höheren amerikanischen Geheimdienstbeamten (von Ron Nixon überprüft) Ja, russische Raketen flogen nach Polen. Mindestens zwei Personen sind nach ersten Berichten gestorben. Auch nach Moldawien flogen Raketen – diesmal keine Opfer (verändert)

Lisa Leff (13:33) Können wir das melden oder brauchen wir Bestätigung von einer anderen Quelle und/oder Polen?

James LaPorta (13:34) Das ist über meiner Gehaltsklasse

Monika Scislowska (13:35) Die nächstgelegene Stadt (nicht groß) ist Sokal, etwa 25 Kilometer Luftlinie. Die nächsten großen Städte sind Lwow und Lutsk (sp?) Beide Städte sind weniger als 100 Kilometer Luftlinie entfernt, vielleicht eher 90 Kilometer von Przewodow.

Vanessa Gera (13:35) Da der polnische Regierungssprecher zugibt, dass es eine Krisenlage gibt, wäre ich dafür, das zu melden: Warschau, Polen – hochrangiger US-Geheimdienstler sagt, eine russische Rakete habe bei NATO-Mitglied Polen eingeschlagen, zwei Tote.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein US-Geheimdienstler da falsch liegt.

Polnische Medien reden von zwei Toten

Lisa Leff (13:36) @zkaram Ist das so recht? @tberman Was sagst du? @jlaporta Kannst du eine Eilmeldung machen?

James LaPorta (13:38) Nein, ich bin gerade bei einem Arzttermin. Was ich geschickt habe, ist alles, was ich zurzeit weiß

Zeina Karam (13:38) Ja sollte ok sein ich sehe Quelle von rnixon überprüft

Vanessa Gera (13:39) Ja, machen

James LaPorta (13:40) Frage mich, ob das Artikel 5 auslöst

(13:40) genau meine Gedanken

Lisa Leff (13:40) Schicke Meldung, wenn keine Einwände

Monika Scislowska (13:40) Lokalradio Lublin sagt, zwei Leute durch Explosionen getötet. Provinzgouverneur Lech Sprawka geht dorthin, sagt Radio Lublin.

Lisa Leff (13:41)

Meldung raus, @csundheim

Unter den an der zehnminütigen Kommunikation Beteiligten ist es der später entlassene James LaPorta, der auf die möglichen Folgen der Meldung hinweist. Nicht er trifft die Entscheidung, die Meldung zu bringen. Die Frage der Quelle, die angeblich nach den Regeln von AP streng gehandhabt wird, wird letztlich mit der simplen Bemerkung erledigt, man könne sich nicht vorstellen, dass ein US-Geheimdienstler da falsch liege.

Ebendieser besagte Geheimdienstler ist nach wie vor anonym, auch wenn die Formulierung "vetted by Ron Nixon", also vom Chef von AP überprüft, darauf hinweist, dass die besagte Person bereits mindestens einmal Informationen an AP weitergegeben hat.

Diese unbekannte Person ist die eigentlich interessante Stelle. Auch wenn das Vorgehen bei AP nicht gerade von großer Sorgfalt zeugt und James LaPorta unverkennbar ein Bauernopfer war – warum gab besagte Quelle eine falsche Information weiter? Schließlich besitzt das US-Militär nicht allzu weit von Przewodow entfernt eine Radarstation, mit der es den Luftraum mindestens bis Lwow überwachen können müsste.

Diese Frage ist deshalb so brisant, weil immer noch nicht klar ist, ob die ukrainische Rakete aus Versehen oder mit Absicht in Polen gelandet ist. Im letzteren Fall wäre die unbekannte Quelle Teil des Spiels und hat AP genutzt, um die öffentliche Meinung in die gewünschte Richtung zu beeinflussen. Auf diese Weise von Geheimdienstangehörigen genutzt zu werden ist für eine Nachrichtenagentur allerdings noch weit problematischer, als nur ein schlampiger Umgang mit Quellen.

Mehr zum Thema - Der polnische Raketenvorfall brachte uns kurz an den Rand der nuklearen Vernichtung

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