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Auf dem Weg in die multipolare Weltordnung – Teil 1

Die multipolare Weltordnung wird zunehmend zur gelebten Realität. Geopolitisch und geo-ökonomisch existieren mehrere Machtzentren, es bildet sich ein neues Gleichgewicht der Mächte heraus, was mit entsprechenden militärischen und ökonomischen Konflikten verbunden ist – siehe Ukraine-Krieg.
Auf dem Weg in die multipolare Weltordnung – Teil 1Quelle: www.globallookpress.com © Rao Aimin

Eine Analyse von Dr. Anton Friesen

Die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) haben sich zum ersten Mal 2006 am Rande des G8-Gipfels getroffen. Der erste BRIC-Gipfel fand 2009 statt. 2010 wurde Südafrika als Mitglied dieser aufstrebenden Schwellenländer-Gruppe aufgenommen. Die BRICS stehen für vier Kontinente, 41 Prozent der Weltbevölkerung, 29 Prozent der Landfläche der Erde, 24 Prozent des globalen BIP und 16 Prozent des weltweiten Handels. Zum Vergleich: die G7-Staaten stellen heute 45 Prozent der Weltwirtschaftsleistung (vor über 20 Jahren waren es noch 65 Prozent). Der Begriff BRIC(S) wurde bereits vor über 20 Jahren vom Wirtschaftsexperten Jim O’Neill geprägt.

Ökonomen gehen davon aus, dass vor allem China und Indien kommende Weltwirtschaftsmächte sind. China dürfte in weniger als zehn Jahren die USA überholen, was das BIP angeht. Indien dürfte bis 2050 zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen. Währenddessen ist der Anteil der EU am BIP seit der Jahrtausendwende um fast ein Drittel zurückgegangen, derzeit liegt er nur noch bei 18 Prozent.

Der Abstieg Europas – demographisch, kulturell und wirtschaftlich – setzt sich ungehindert fort. Drei der größten Krisen der letzten Jahre haben ausschließlich Europa (insbesondere die EU) getroffen (Euro-Krise, Massenmigration und Brexit).

Der relative Abstieg der Vereinigten Staaten von Amerika ist nicht so gravierend wie der der Eurokraten Brüssels: von 31 Prozent der Weltwirtschaftsleistung ging der Anteil auf aktuell 25 Prozent zurück.

Trotzdem ist der gesamte euro-atlantische Raum im Niedergang begriffen, der sich seit Jahrzehnten fortsetzt. Der Aufstieg der Anderen geht einher mit dem Abstieg des Westens, wie es der bekannte US-Experte Fareed Zakaria formuliert hat.

Der Standortindex des Instituts für Wirtschaft Köln zeigt die Dynamik der chinesischen Volkswirtschaft, die von 2000 bis 2015 unter 45 Staaten weltweit die Standortattraktivität am stärksten verbessert hat.

Die BRICS-Staaten heute sind für die Ernährungssicherheit von zentraler Bedeutung (Russland, Brasilien, Indien) und stellen mehr als ein Drittel der globalen Agrarproduktion. China und Indien sind darüber hinaus zunehmend wichtige Industrie- und Innovationsstandorte. Indien gilt als einer der wichtigsten IT-Standorte weltweit; China ist im Bereich Künstliche Intelligenz, Quantencomputer etc. weltweit führend. Russland ist einer der wichtigsten Energieexporteure weltweit. So ergänzen sich die BRICS-Staaten ökonomisch gesehen optima.

Die Welt kehrt zur Multipolarität zurück, heute allerdings unter den Rahmenbedingungen der Globalisierung: "Für fast 2000 Jahre war China die weltweit größte Volkswirtschaft. Zusammen mit Indien vereinte es 1820 knapp die Hälfte des globalen BIP auf sich".

Die Ent-Dollarisierung der Weltwirtschaft, der Abstieg des Dollars als wichtigste Weltreservewährung, ist eine langfristige Entwicklung, welche durch das Einfrieren der russischen Währungsreserven in den USA und in der EU noch mehr an Fahrt aufgenommen hat.

China hat bereits seit der in den USA bis heute so genannten Großen Rezession (der Finanz- und Wirtschaftskrise, beginnend 2007) seinen Anteil an Dollar-Reserven und US-Staatsanleihen verringert. Doch gewinnt der Euro, wenn der Dollar verliert? Mitnichten:

"Auffälligerweise stehe dem (dem Rückgang des Dollar-Anteils als weltweite Reservewährung, Anm. des Verfassers) kein wachsender Anteil des britischen Pfunds, des Euro oder des japanischen Yen gegenüber. Ein Viertel des bisherigen Dollaranteils werde inzwischen vom chinesischen Yuan eingenommen und die restlichen drei Viertel von Währungen kleinerer Länder mit beschränktem Gewicht in der Weltwirtschaft" konstatiert der Weltwährungsfonds in einem Arbeitspapier.

In der Tat: der Ausstieg aus dem US-Dollar verringert durch die Bildung eines multipolaren Währungskorbs als globale Weltreservewährung, wie vom Gouverneur der Bank of England, Mark Carney, 2019 vorgeschlagen, die geopolitischen und geo-ökonomischen Risiken der einseitigen Dollar-Dominanz und ist insofern rational und in deutschem wie europäischem Interesse.

Russland baut schon an einem "Petro-Rubel", einer Rohstoffwährung, die durch den Nachahmungseffekt durch andere Rohstoffexporteure zur Ablösung des US-Dollars führen wird. Am Beginn der multipolaren Ära steht eine Welt, die sich vom US-Dollar emanzipiert hat.

Dr. Anton Friesen, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Bundestag und ehemaliger Bundestagsabgeordneter (Auswärtiger Ausschuss sowie Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe). Der Autor vertritt im Artikel ausschließlich seine eigene Meinung.

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