Westafrika bereitet sich auf einen regionalen Krieg vor
Von Andrew Korybko
Der patriotische Militärputsch von vergangener Woche in Niger, der als Reaktion auf das Versäumnis des vorherigen Regimes ausgeführt wurde, angesichts zunehmender terroristischer Bedrohungen die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten, entwickelt sich rasant zum Auslöser für etwas, das bald zu einem regionalen Krieg in Westafrika ausarten könnte.
Die Staaten der Region ergreifen Partei, noch bevor das Ultimatum der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) am kommenden Sonntag abläuft, das verlangt, den gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum wieder an die Macht zu bringen oder sich einer wahrscheinlich von Frankreich unterstützten und von Nigeria angeführten Invasion zu stellen.
Zwei neue Entwicklungen machen die Kriegsgefahr zu einem sehr realen Szenario
Burkina Faso und Mali, deren Interimspräsidenten ebenfalls durch patriotische Militärputsche an die Macht gebracht worden waren und die vergangene Woche am zweiten Russland-Afrika-Gipfel in Sankt Petersburg teilnahmen, erklärten am Montagabend gemeinsam, dass eine Intervention in Niger als Kriegserklärung gegen die eigenen Staaten betrachtet wird. Sie gelobten außerdem, sich in diesem Fall aus der ECOWAS zurückzuziehen. Stunden später, am Dienstagmorgen, kündigte Frankreich dann die Notevakuierung von EU-Bürgern aus Niger an und deutete damit an, dass man in Paris mit einem Krieg rechnet.
Der Interimspräsident des Tschad, Mahamat Idriss Déby Itno, der ebenfalls unter ähnlichen Umständen wie seine Amtskollegen an die Macht gekommen war, konnte offenbar keinen Kompromiss aushandeln, wie er ihn bei seinem Besuch in der Hauptstadt des Nigers angestrebt hatte. Obwohl sein Land nicht Teil der ECOWAS ist, arbeite es eng mit Niger und Nigeria gegen die terroristische Bedrohung durch Boko Haram zusammen. Der Tschad ist zudem eine regionale Militärmacht, die sich in diesem künftigen Konflikt als Königsmacher erweisen könnte, wie ich später erläutern werde.
Ausländische Streitkräfte im Niger
Bevor ich einige Szenarien und die damit verbundenen Variablen vorstellen, die den Verlauf dieses wahrscheinlichen Konflikts beeinflussen könnten, ist es wichtig, auf einige regionale Details einzugehen, beginnend mit der Präsenz ausländischer Streitkräfte in Westafrika. Niger beherbergt derzeit französische, US-amerikanische, deutsche und italienische Truppen. Die neuen Machthaber behaupteten am vergangenen Montag, dass Paris mit den Loyalisten des ehemaligen Regimes konspiriere, um Luftangriffe zu koordinieren, die darauf abzielen, das gestürzte Staatsoberhaupt des Landes zu befreien, das sich im Präsidentenpalast in Haft befindet.
Als Nächstes ist zu erwähnen, dass Burkina Faso und Mali ernsthaft über einen Zusammenschluss zu einer Föderation nachdenken, was Burkina Fasos Interimspräsident Ibrahim Traoré zuletzt in einem Gespräch mit Sputnik darlegte. Diese Pläne, die erstmals im vergangenen Februar veröffentlicht worden waren, ergänzen die gemeinsame Erklärung beider Staaten vom Montagabend, wonach sie eine Invasion in Niger als Kriegserklärung an die eigenen Staaten betrachten und dementsprechend zur Verteidigung ihres Nachbarlandes eilen werden.
In diesem Zusammenhang begannen beide Staaten im selben Monat, in dem sie ihre Pläne für eine Föderation vorstellten, mit der Erkundung des Potenzials einer trilateralen Zusammenarbeit mit dem nahe gelegenen Guinea. Dieses Land steht seit Ende 2021 unter der Herrschaft einer Militärregierung und wurde daher aus demselben Grund von der Mitgliedschaft bei der ECOWAS suspendiert. Alle genannten Staaten stehen Russland nahe, sodass die Küste des am Atlantik gelegenen Guinea theoretisch als Hafen für Moskau dienen könnte, um seine Binnenpartner in der Region zu versorgen – es sei denn natürlich, die ECOWAS und/oder ihre westlichen Oberherren verhindern dies.
Der libysche Faktor
Unabhängig davon, ob dies geschieht oder nicht, könnte Nigers libyscher Nachbar eine ergänzende Rolle bei der Versorgung der neu gebildeten Sahel-Koalition spielen. Der Vorsitzende des libyschen Präsidialrats, Mohamed al-Menfi, nahm vergangene Woche ebenfalls am zweiten Russland-Afrika-Gipfel teil und traf dort mit Präsident Wladimir Putin zusammen. Das russische Staatsoberhaupt versprach, "die Einheit, Souveränität und territoriale Integrität des libyschen Staates zu gewährleisten und weiter voranzutreiben".
Diese drei Ziele sind angesichts der Warnung in der gemeinsamen Erklärung von Burkina Faso und Mali relevant, dass eine Invasion in Niger "die gesamte Region destabilisieren könnte, genauso wie die einseitige Intervention der NATO in Libyen, der die Ursache für die Ausbreitung des Terrorismus in der Sahelzone und im Westen von Afrika war". Diese Einschätzung ist zutreffend und kann Russland als Vorwand dienen, die Militärhilfe für Mali und Niger über Libyen aufzustocken, einen Staat, der äußerst fragil ist und durch den bevorstehenden Krieg ebenfalls destabilisiert werden könnte.
Mögliche russische Luftbrücken
Obwohl derzeit keine effektive Luftbrücke zwischen Russland und Libyen existiert, könnte die umständliche russisch-syrische Brücke über das Kaspische Meer, den Iran und den Irak zu diesem Zweck über das östliche Mittelmeer ausgedehnt werden. Wenn Saudi-Arabien und der Tschad sich darauf einigen, Russland Rechte für den Transit zu gewähren, könnte ein weiterer Korridor über den Iran, Saudi-Arabien, den Sudan und den Tschad gebildet werden, um einer möglichen Einmischung der NATO im Mittelmeer zu entgehen.
Diese letztgenannte Route ist jedoch keine Selbstverständlichkeit, nachdem der Sudan die Sperrung seines Luftraums erneut bis Mitte August verlängert hat. Obwohl der stellvertretende Vorsitzende des Übergangsrates des Sudan gerade erst die Delegation seines Landes nach Russland geführt hat, ist die von ihm vertretene Militärjunta immer noch in einen blutigen Konflikt mit den angeblich mit Wagner verbundenen sogenannten sudanesischen Schnellen Unterstützungskräften verwickelt, sodass das Vertrauen nicht mehr so intensiv ist, wie es einmal war. Darüber hinaus war der Tschad in seiner Haltung gegenüber der Situation rund um Niger zurückhaltend – und das aus gutem Grund.
Die militärisch-strategischen Berechnungen des Tschad
Der Tschad muss es als regionale Militärmacht vermeiden, sich angesichts komplexer inländischer und internationaler Bedrohungen zu überfordern. Die erste Bedrohung bilden regierungsfeindliche Rebellen, während die zweite im Ausland ansässige Rebellen und Terroristen betreffen, was das Risiko eines regionalen Konflikts birgt. Auch der Tschad versucht seit Anfang dieses Jahres, sein einseitiges Verhältnis zum Westen neu auszuloten, was einen gewissen Druck auf diesen Staat ausübt und seine Handlungsfähigkeit in einer regionalen Krise einschränken könnte.
Die zehn wichtigsten Variablen
Der bis hierher beschriebene Stand der militärisch-strategischen Angelegenheiten bildet die Grundlage für Vorhersagen verschiedener Szenarien, wobei man bedenken sollte, dass die chaotische Dynamik eines bestimmten Konflikts dazu führen kann, dass selbst die überzeugendsten Vorhersagen letztlich möglicherweise nicht eintreffen. Allerdings sind solche Denkübungen trotzdem noch nützlich, wenn sie auf objektiv bestehenden Beziehungen zwischen den betreffenden Parteien und ihren wahrscheinlichsten Berechnungen basieren, die auf einem Verständnis ihrer jeweiligen Interessen beruhen.
Alle Szenarien hängen von Variablen ab, von denen in diesem Zusammenhang die folgenden am relevantesten sind:
1. Wird Nigeria zustimmen, dem Willen des Westens zu folgen und die Invasion der ECOWAS in Niger anzuführen?
2. Wird der Tschad sich Nigeria anschließen, um später den Königsmacher zu spielen, oder sich ganz aus dem Konflikt heraushalten?
3. Welche Rolle würden westliche Streitkräfte in Niger spielen, wenn Nigeria in dieses Land einmarschiert?
4. Werden die eingreifenden Streitkräfte von Burkina Faso und Mali angegriffen, oder könnten diese die Invasoren zuerst angreifen?
5. Wie wahrscheinlich ist es, dass andere Staaten der ECOWAS Burkina Faso und/oder Mali angreifen und/oder dort einmarschieren?
6. Wie sind alle regionalen Parteien militärisch, wirtschaftlich und politisch auf einen längeren Konflikt vorbereitet?
7. Auf welche logistischen Korridore könnten sich ausländische Verbündeten Nigers abstützen, und welche Hindernisse könnten sie behindern?
8. Wird sich ein größerer Krieg in Westafrika zu einem weiteren Stellvertreterkonflikt des neuen Kalten Krieges entwickeln?
9. Wie könnten sich die Spannungen zwischen der NATO und Russland in Westafrika auf den Stellvertreterkrieg dieser beiden in der Ukraine auswirken?
10. Fühlen sich andere Staaten in Afrika dadurch ermutigt, ihre regionalen Probleme militärisch zu lösen?
Vier mögliche Szenarien
Aus dem oben Gesagten sind folgende Szenarien zu erwarten, von denen aber natürlich keines garantiert eintreffen muss:
1. Ein rasch beigelegter begrenzter Konflikt
Nigeria besiegt rasch die neuen Machthaber in Niger und ihre Verbündeten aus Burkina Faso und Mali, mit oder ohne französisch-US-amerikanische Luft- und Spezialeinheiten oder Luft und Bodenunterstützung aus dem Tschad, während Burkina Faso und Mali davon unberührt bleiben. Die jeweiligen vom Militär geführten Übergangsregierungen beider Staaten würden derweil im Amt bleiben.
2. Ein erweiterter Konflikt
Mit direkter Unterstützung Frankreichs und/oder der USA und möglicherweise mit einem gewissen Maß an Unterstützung aus dem Tschad führt Nigeria eine Invasionstruppe der ECOWAS an, mit der die vom Militär geführten Übergangsregierungen von Burkina Faso, Mali und Nigeria abgesetzt werden, wodurch die verlorene Einflusssphäre Frankreichs in Westafrika wiederhergestellt wird.
3. Ein begrenzter Konflikt, der sich in die Länge zieht
Niger wird zu einem Stellvertreterkonflikt des neuen Kalten Krieges, da die von der NATO unterstützte und von Nigeria angeführte Invasion der ECOWAS die in diesem Land herrschende Militärregierung nicht stürzen kann, aufgrund des heftigen Widerstands der von Russland unterstützten Streitkräfte aus Burkina Faso und Mali, was dazu führt, dass beide Seiten den Tschad als Königsmacher um ein Eingreifen bitten.
4. Ein erweiterter Konflikt, der sich in die Länge zieht
Die oben genannten Parteien bleiben dieselben, ebenso wie die Pattsituation und der neutrale Status des Tschad, aber der Umfang des Konflikts weitet sich auf die De-facto-Föderation zwischen Mali und Burkina Faso aus, was Ägypten ermutigen könnte, im Sudan einzugreifen, und Ruanda, dasselbe im Kongo zu tun, was letztlich einen afrikaweiten Konflikt auslösen würde.
Der Wettlauf in der Logistik und der Zermürbungskrieg zwischen der NATO und Russland in der Ukraine wird sich auf den Grad der Unterstützung auswirken, die beide Seiten ihren jeweiligen westafrikanischen Verbündeten gewähren können. Dies kann auch ihre Entscheidung beeinflussen, ob sie auf dieser Bühne des neuen Kalten Krieges eine Pattsituation provozieren wollen. Von China, Indien und anderen großen neutralen Ländern wie der Türkei kann erwartet werden, dass sie ebenfalls diplomatisch eingreifen, obwohl es zum jetzigen Zeitpunkt unmöglich ist vorherzusagen, wie erfolgreich sie damit sein würden.
Diese Szenarien bergen auch große Risiken für die Stabilität Nigerias, da sie zu einer Kaskade von Wirtschafts- und Sicherheitskrisen führen könnten, die sich zu einer sehr ernsten politischen Krise verschmelzen, wenn Streiks das Land lahmlegen und Rebellen und/oder Terroristen den neuen Fokus der Streitkräfte auf Niger auszunutzen versuchen.
Um es klarzustellen: Keine von den vorgestellten Szenarien ist garantiert, sie können aber angesichts der Fragilität Nigers auch nicht ausgeschlossen werden und möglicherweise weitreichende Folgen für das Land haben.
Fazit
Die jüngsten Ereignisse wecken nicht die Zuversicht, dass ein größerer Krieg in Westafrika abgewendet werden kann, weshalb sich jeder darauf einstellen sollte, dass irgendwann in diesem Monat dort ein Krieg ausbricht. Wenn die von der NATO unterstützte und von Nigeria geführte ECOWAS die neu gebildete Sahel-Koalition aus Burkina Faso, Mali und Niger – wobei sich Guinea möglicherweise in gewisser Weise anschließen könnte – nicht umgehend besiegt, könnte Russland voraussichtlich letztgenannte Sahel-Koalition konkret unterstützen und damit führend in einem weiteren Stellvertreterkonflikt im neuen Kalten Krieg sein, in dem der Tschad der Königsmacher sein könnte.
Aus dem Englischen.
Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger US-Politologe, der sich auf die US-Strategie in Afrika und Eurasien sowie auf Chinas Belt-and-Road-Initiative, Russlands geopolitischen Balanceakt und hybride Kriegsführung spezialisiert hat.
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